Allgemeine Musikalische Zeitung
November 1817
Wichtige Verbesserung des Waldhorns.
Das Waldhorn, durch seinen den so vollen und kräftigen, als zarten und anmuthigen
Ton so überaus schöne Instrument, stand bekanntlich bisher gegen fast alle die andern Blasinstrumente dadurch sehr zurück, dass es in seinen natürlichen Tönen so sehr beschränkt war; indem es nicht einmal möglich ward, ohne Stopfen mit der einen Hand, auf natürliche Weise eine diatonische Scala hervorzubringen. Folgende Töne nämlich lieferte das Hörn natürlich, wovon aber mehre nicht einmal rein waren:
Um nun die unreinen Töne zur Reinheit zu zwingen, und die fehlenden hören zu lassen, bediente man sich bisher des Stopfens des Schalloches: allein die Absicht wurde nur höchst unvollkommen erreicht; denn die gestopften Töne waren zu sehr, und blieben auch bey grosser Geschicklichkeit beträchtlich von den natürlichen verschieden; und nur bey äusserst ausgezeichneten Virtuosen kamen durch jenes Mittel wirklich alle Töne, unter oben gegebener Voraussetzung in
der Region von heraus. Dieses sind allerdings Gegenstände, die denen, welche das Waldhorn spielen oder sonst kennen, bekannt sind: da aber hier von etwas gesprochen werden soll, was diese nicht allein, sondern alle Freunde der Musik interessiren kann: so schien es nicht unnöthig, Vorstehendes in Erinnerung zu bringen.
Jene Unvollkommenheiten des natürlichen, und auch des durch jenes Hülfsmittel künstlich verbesserten Zustandes des Waldhorns suchte man seit ganz kurzem durch angebrachte Klappen zu beseitigen. Die Töne kamen freylich nun sicherer , aber dadurch, dass bey Oeffnung der Klappe die Luft durch das Loch ausströmte, verlor der Ton auch, und der Unterschied, der durch Klappen erzeugten Töne von den übrigen blieb, und zwar eben so auffallend.
Hr. Stölzel aus Breslau hat nun diese Unvollkommenheiten durch langes Nachdenken über diesen Gegenstand und unablässiges Bemühen vollständig beseitiget, und zwar hat er, wie schon mancher Erfinder in mechanischen Dingen, das Rechte und Treffende viel naher gefunden, als man es gesucht; und viel einfacher, als man es gemeynt. Er hat seinem Horne blos zwey, luftdicht gearbeitete Ventile gegeben, die mit leichter Mühe von zwey Fingern der rechten Hand, wie Tasten am Pianoforte, niedergedrückt, und von selbst durch angebrachte Federn wieder in vorigen Stand gesetzt werden; und dadurch ist es
nicht nur möglich, sondern auch leicht, die ganze chromatische Scala von der tiefsten bis zur höchsten Note rein herauszubringen, bey vollkommen gleichem Tone. Bey diesem Horn bedarf es mithin des Umstimmens in eine andere Tonart nicht,und man kann dieselbe Passage sogleich in einer
andern blasen; auch Gänge, die sonst auf dem gewöhnlichen Horne geradezu unmöglich auszuführen waren, nun. ohne alle Schwierigkeit vortagen.
Was durch diese Erfindung für das Solo-Spiel auf dem Horn gewonnen wird, geht leicht hervor, wenn man auch nur au das ewige Einerley der bis jetzt gehörten Hornpassagen in
Concerten denkt. — Vorzüglich auffallend und effectreich ist es, in der Tiefe nun Stellen, wie
mit der vollen und gleichen Kraft des Horntons zu hören.
Hrn. Stölzel ist für seine viele Mühe und aufgewendeten Kosten zu wünschen, dass er, recht zahlreiche Bestellungen erhalte; und in der That, jede Musikdirection, jede Concert- und Theateranstalt, jede gute Gesellschaft Militair-Musik, so wie jedes Orchester sollte ein Paar solche Hörner sich zu eigen machen, um von einer solchen bedeutenden Verbesserung Vortheile für ihre Kunst zu ziehen und den Genuss an ihr bey allen achtsamen Hörern namhaft zu verschönern. Denn dies wird ganz zuverlässig geschehen; ja, diese Erfindung wird noch weitere erspriessliche Folgen haben, wenn auch an den Trompeten und Posaunen dieser .Mechanismus angewandt wird, wie gar leicht geschehen kann; und dass dem Componisten damit; eine ganz neue Provinz eröffnet wird, sowohl für seine Ideen, als für deren effectvollere, sichere und schönere Ausführung: das bemerkt ein jeder Kunstverständige.
Uebrigens ist diese Erfindung des Hrn. Stölzel auch schon von Ändern, und zwar von vollkommen competenten Richtern geprüft und mit entschiedenem Beyfall ausgezeichnet worden; (m. vergl. z. B. den Aufsatz des Hm. Musikdir. Bierey in Breslau, musikal. Zeit., 17ter Jahrg., 18te Nov.) auch hat Hr. St. für dieselbe ein Belobungsschreiben von seines Königs Maj. erhalten.
Leipzig.
Friedrich Schneider