Die Mitglieder der Wallersteiner Hofkapelle in Kurzporträts

Josef Reicha


von Günther Grünsteudel

Josef Reicha (Rejcha), dessen Geburtstag sich in diesem Jahr (2002) zum 250. Mal jährt, wurde am 12. Februar 1752 als jüngster von vier Söhnen des leibeigenen Bauern Vacláv Reicha (1717-1798) in Chuděnice bei Pilsen/Plzeň (Westböhmen) geboren und auf den Namen „Matěj (Matthias) Josef“ getauft 1. 1761 kam er als Chorschüler an die Prager Kreuzherrenkirche, wo er eine solide Schulbildung erhielt, sogar Latein lernte und von dem geschätzten Pädagogen Franz Joseph Werner (1710-1768) im Violoncellospiel unterwiesen wurde; zu Werners Schülern zählten u.a. auch Anton Kraft (1749-1820), während der späten 1770er und der 1780er Jahre der von Haydn hochgeschätzte erste Cellist der Hofkapelle des Fürsten Nikolaus Esterházy, und Josef Fiala (1748-1816), der wie Reicha Mitte der 1770er Jahre der Wallersteiner Hofkapelle angehörte – allerdings nicht als Cellist, sondern als deren erster Oboist.

1764 entließ der Graf Černin die Reichas aus der Leibeigenschaft. Josefs ältester Bruder Šimon (ca. 1740 - 1770/71) ließ sich in Prag nieder und nahm den Jüngeren bei sich auf. Josef Reichas Lebensumstände während dieser Jahre liegen völlig im Dunkeln. Vielleicht kehrte er nach dem Tod des Bruders zumindest zeitweilig auf den Hof seines Vater zurück, der 1771 in das nur wenige Kilometer südöstlich von Chuděnice gelegene Städtchen Klattau/Klatovy übergesiedelt war. In dem sicherlich auf eigenen Angaben beruhenden Eintrag im Trau- ungsregister der katholischen Pfarrei Wallerstein wird Reicha jedenfalls unter dem 19. Januar 1779 als „ex urbe Klattau in Bohemia“ 2 bezeichnet.

In den Oettingen-Wallersteiner Akten erscheint Josef Reicha erstmals am 20. Dezember 1774, als dem „violoncellista virtuosus“ 3  wie auch seinen Kollegen Anton Hutti (1751/52-1785), Anton Janitsch (1753-1812) und Fiala eine Zulage in Höhe von 100 Gulden für Essen und 50 Gulden für Wein „statt des bisherigen Offiziantentisches“ gewährt wird 4. Wie lange Reicha damals schon in Wallersteiner Diensten stand, wissen wir nicht. Der Eintritt dürfte aber wohl kaum vor Herbst 1773 erfolgt sein.

In der zweiten Hälfte der 1770er Jahre, als die Wallersteiner Hofmusik nach dem Tod von Fürst Kraft Ernsts junger Gemahlin Marie Therese von Thurn und Taxis (1757-1776) gro- ßenteils suspendiert war und auch der Fürst für längere Zeit außer Landes (nämlich in Metz) weilte, unternahmen der Geiger Janitsch und Reicha mehrere Konzertreisen: 1776/77 führten sie  gemeinsame Auftritte u.a. nach Frankfurt, Gotha und  Leipzig. Am  2.  Oktober 1776 schreibt  Ignaz  von  Beecke  an  Fürst  Kraft  Ernst 5:  „Reicha  et  Janitsch  m’ont ecrit  de Francfort, qu’ils contoient aller a Saxe Gotha et Leipzig, ou je leurs dois adresser mes lettres, il me semblent que leurs profits est assés mediocre, mais jusqu’apresent ils se sont tirés d’affaire“ (Reicha und Janitsch haben mir aus Frankfurt geschrieben, dass sie nach Sachsen, Gotha und Leipzig, weiterreisen werden, wohin ich meine Briefe an sie adressieren soll; mir scheint, dass ihre Einkünfte ziemlich mittelmäßig sind, aber bis jetzt haben sie sich aus der Affäre gezogen).

1 Die Varianten von Reichas Geburtsdatum in der Literatur bewegen sich zwischen 1746 und 1757; den neuesten Forschungsstand gibt Claus Reinländer in der 2. Auflage des New Grove Dictionary of Music and Musicians, Bd. 21 (2001), S. 136, wieder.

2 Trauungsregister der katholischen Pfarrei Wallerstein, 19. Januar 1779; zitiert nach Ludwig Schiedermair: Die Blütezeit der Oettingen-Wallerstein‘schen Hofkapelle, in: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft 9 (1907/08), S. 91.

3 Vgl. Anm. 2.

4 Fürstlich Oettingen-Wallersteinsches Archiv Schloss Harburg (FÖWAH); zitiert nach Schiedermair (Anm. 2), S. 91.

5 FÖWAH; zitiert nach Schiedermair (Anm. 2), S. 91.

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